Postprivacy

Das Leben ohne Internet ist kaum noch möglich. Es werden immer größere Bereiche des Lebens in das Netz eingebaut. Um ein funktionierendes Mitglied in der Gesellschaft zusein ist es also unumgänglich, sich durch das Internet zu bewegen. Die Menschen haben angefangen nahezu alles im Netz von sich preis zu geben. Es gibt kaum noch Geheimnisse. Ob sexuelle Präferenzen oder Lieblingskinoheld, mit nur wenig Anstrengung kann man beinahe alles über einen heraus finden.

Es wird als wichtig empfunden, sich zu präsentieren und gegenüber anderen Menschen interessant zumachen, um mit Gleichgesinnten in Kontakt zu kommen. Wer sich ausserhalb der “Norm” bewegt, muss keine Ausgrenzung der Gesellschaft mehr fürchten. Denn im Internet kann man sich die passende Gesellschaft selbst aussuchen.

Was kommt nach der Privatheit?

Der Begriff Postprivacy wurde von Christian Heller zum ersten mal 2007 in seinem Blog beschrieben. Diskussionen über den Verlust der Privatsphäre durch den Überwachungstaat und das Internet warfen für Heller die Frage auf, ob es nicht auch eine “positive Überwindung von Privatheit” gäben könnte.

Postprivacy ist also ersteinmal nur eine Diagnose, ein Aufruf zur Diskussion.

Viele unserer Forderungen und Vorstellung an die Privatsphäre stammen noch aus der analogen Welt und passen nicht mehr in unser digitales Zeitalter. (Seemann) Das der Wegfall von privaten Räumen auch Gutes und Freiheit bedeuten kann, zeigte zum Beispiel die Homosexuellenbewegung. Je offener alle Menschen werden, umso weniger  Diskriminierung wird es geben, so sieht die utopische Wunschvorstellung der Postprivacy-Anhänger an die Gesellschaft aus. (Schramm) Denn ohne eine reformierte Gesellschaft in der Staaten, Menschen nicht mehr wegen ihrer Meinungen verfolgen, sich niemand mehr an den sexuellen Präferenzen anderer stört und Party-Trinkbilder im Internet nicht mehr als soziales Stigma angesehen werden, wird es diese “positive” privatsphärenfreie Welt niemals geben.